Ich bin im April 1985 geboren und seit meinem 15. Lebensjahr habe ich Endometriose.
Von Beginn an meiner ersten Periode hatte ich schon immer schlimme Menstruationsbeschwerden, Unterleibskrämpfe, Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel. Im November 2000, im Alter von 15 Jahren wurde die Endometriose dann das erste Mal diagnostiziert. Schon damals wurden erhebliche Verwachsungen im Bauchraum und das gerade einmal nach 6 Monaten Periode.
Seit meiner ersten Periode litt ich unter häufigen Eierstockentzündungen, starken Regelblutungen und vor allem starken Unterleibsschmerzen.
Meine Frauenärzte erklärten mir immer wieder, dass Schmerzen und starke Blutungen „normal“ wären. Im Dezember 2011 verschlimmerten sich diese Beschwerden erheblich. Einige Monate zuvor hatte ich die Pille abgesetzt, da ich einfach keine Hormone mehr nehmen wollte und mich nach alternativen Verhütungsmethoden umsah. Neben den „üblichen“ Endometriose Beschwerden wie starken Blutungen, starken Unterleibskrämpfen und massiven Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, kamen dann viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten, ständiger Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung, ein ständig massiv aufgeblähter Bauch, so wie völlige körperliche Kraftlosigkeit hinzu, die nur ein Teil der Beschwerden darstellten, mit denen ich mich seit Jahren quälen musste.
Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis die Diagnose Endometriose gestellt wurde. Viele Arztbesuche, Untersuchungen und viele alternative Behandlungen musste ich immer wieder über mich ergehen lassen und immer wurde mir gesagt, ich sei „gesund“. Mir wurden Antidepressiva empfohlen, da meine Schmerzen nur psychosomatisch sein sollten. Wieder einmal zeigte sich, dass gerade Frauen bei chronischen Schmerzen schnell in die „Psycho-Schublade“ gesteckt werden.
Kurz vor Nierenstau und Darmverschluss wurde ich dann Anfang November 2012 operiert. Aufgrund des - vom Krankenhaus- unerwarteten Ausmaß der Endometriose im Bauchraum, wurde die OP nach kurzer Zeit von Oberarzt übernommen. Es zeigten sich massivste Endometrioseherde im Bereich des absteigenden und querverlaufenden Dickdarms, der kompletten Beckenwände sowie den Harnleitern, die frei präpariert werden mussten. Es wurde die Diagnose Endometriose IV und Adenomyose festgestellt.
Ich dachte die Beschwerden würden sich nach der Operation verbessern, aber genau das Gegenteil war der Fall. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Schmerzen. Ich fühlte mich einfach nur noch hilf- und machtlos. Ich hatte keine Kraft und keine Energie mehr. Meine gesamte Lebensfreude war mir abhandengekommen.
Dass ich über Jahre hinweg immer wieder beweisen musste, dass ich höllische Schmerzen habe, mir aber nie jemand geglaubt hat, hatte sehr große Spuren hinterlassen, die mich fast dazu gebracht hätten, an mir selbst zu zweifeln.
Die Ernährung war schon immer wichtig für mich. Durch meine Ausbildung als ganzheitliche Ernährungsberaterin, hatte ich schon großes Wissen über Lebensmittel, allerdings beschäftigte ich mich aufgrund meiner eigenen Unverträglichkeiten immer intensiver mit dem Thema Ernährung und welchen Einfluss Lebensmittel auf unseren Körper, auf unser Immun-, Hormon- und unser Nervensystem haben. Ich war erstaunt, welch starken Einfluss die Ernährung auf meine permanente Müdigkeit hatte. Die Ernährung wurde zum wichtigen Teil meiner Therapie. Ich hatte zwar noch immer Schmerzen, starke Blutungen, Unterleibskrämpfe und Blut im Urin und Stuhl, aber mein psychisches Wohlbefinden verbesserte sich zunehmend und ich war wieder in der Lage meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und für meine Gesundheit zu kämpfen.
Sicherlich konnte mich die Ernährung nicht von massivsten Verwachsungen befreien und ich spürte „da ist noch was“. Im März 2013 fuhr ich nach Villach zu Prof. Dr. Keckstein. In meinem gesamten Leben, habe ich noch nie einen solchen gefühls- und verständnisvollen, empathischen Menschen kennengelernt wie ihn. Es war das erste Mal, dass sich ein Arzt wirklich Zeit nahm und Fragen gestellt hat, die bisher keiner gestellt hatte.
Im Juni 2013 wurde ich dann von ihm operiert. Wieder war die Endometriose so ausgeprägt, dass ich mehrere Stunden auf dem OP Tisch lag. Erstaunlicher Weise ging es mir sehr gut nach der Operation. Schnell war ich wieder auf den Beinen
In der ganzen Zeit meiner Erkrankung hatte ich so viel über die Erkrankung selber gelernt, über Ernährung, alternative Behandlungsmethoden, dass ich mich mehr und mehr damit beschäftigte und die Ausbildung in klinischer Psycho-Neuro-Immunologie begann. Eine solch komplexe Erkrankung wie der Endometriose, kann nicht mit Hormonen und Tabletten geheilt werden. Es ist nur eine Unterdrückung der Symptome für eine gewisse Zeit. Die Endometriose ist keine Erkrankung, die man einfach so bekommt. Sie ist eine Disharmonie, ein Ungleichgewicht, des gesamten Körper und der Psyche, deshalb muss ein Behandlungskonzept der Endometriose viel ganzheitlicher aussehen und alle Ebenen jeder individuellen Patientin mit einbezogen werden.
Selbstverständlich geht es mir nicht 365 Tage im Jahr gut. Stress und andere Einflussfaktoren, wie Verhaltensweisen, die man sich über Jahre mehr oder weniger antrainiert hat, lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Schnell fällt man in alte Muster zurück. Das Beste jedoch ist, dass ich schwanger wurde, obwohl es aufgrund der ausgeprägten Adenomyose sehr schlecht aussah jemals schwanger zu werden. Heute habe ich einen gesunden Sohn und ich bin froh, dass ich mir nicht, wie auf Anraten der Ärzte, die Gebärmutter habe entfernen lassen, in der Hoffnung die Beschwerden würden dadurch besser werden. Die letzten Jahre waren sehr anstrengend, so dass im Sommer 2019 noch einmal Verwachsungen im Bauchraum gelöst werden mussten. Leider verlief auch diese Operation nicht wie gewünscht und ich landete in der Nacht nach der Operation direkt wieder auf dem OP Tisch, wegen diffuser innerer Blutungen. Lange hat es gedauert danach meine Energie wieder aufzubauen und wieder einen neuen Weg, angepasst an meine derzeitige Lebenssituation, zu finden.
Die Endometriose hat gewisse Spuren in meinem Leben hinterlassen, die auch ich erst nach und nach richtig verarbeiten kann. Die Endometriose wird immer ein Teil von mir sein. Mittlerweile weiß ich aber, dass ich die Endometriose kontrolliere und nicht umgekehrt. Ich habe meine Gesundheit selbst in der Hand und sehe die Endometriose mittlerweile als eigenes Warnzeichen, dass etwas nicht stimmt, oder gerade etwas zu viel für mich ist. Die Endometriose hat mich gezwungen, mehr Acht auf meinen Körper zu geben und mich mehr um mich selbst zu kümmern. Oftmals kann mein Umfeld nicht verstehen, was ich tue, warum ich mich wie verhalte, wie ich mich ernähre und warum ich mir Zeit für mich nehme, wenn ich sie benötige. Es hat sehr lange gedauert, dies zu akzeptieren. Ich habe gelernt, auf mich und meinen Körper zu achten und das muss keiner verstehen, denn keiner muss mit den Konsequenzen leben, außer mir. Wenn ich eines durch die Endometriose gelernt habe, ist es auf sich und sein eigenes Bauchgefühl zu hören und das zu machen, was sich richtig anfühlt.
Ich kann nur allen Betroffenen raten, auf seinen Körper zu hören, denn dieser weiß was gut für ihn ist. Die meisten haben dies verlernt. Viel zu oft werden wir von Ärzten fremdgesteuert und machen einfach nur das was sie sagen, obwohl es sich nicht richtig anfühlt. Jeder sollte sich auf die Suche machen, sich wieder selbst zu finden und zu lieben. Nur wer seine eigenen Gefühle, seine Lebensgeschichte und seine Krankheit versteht, wird auch verstehen, wie sich die Situation wieder drehen lässt. Du solltest davon überzeugt sein, dass du es schaffst, wieder gesund zu werden und ein beschwerdefreies Leben führen zu können. Bist du selbst nicht davon überzeugt, kann es nicht funktionieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, aus diesem negativen Gedankenkreis auszusteigen, allerdings kann uns kein Arzt, und kein Therapeut, helfen, wenn wir nicht selbst bereit sind, etwas zu ändern.
2013 gründete ich die Endometriose Selbsthilfegruppe in Köln, die monatlich im Evangelischen Krankenhaus Köln Weyertal stattfand. Aufgrund der Maßnahmen der letzten Jahre, konnten diese Treffen nicht mehr stattfinden. Es besteht allerdings weiterhin eine Whats App Gruppe, zu der jede Betroffene hinzugefügt werden kann. Ein Aufbau einer neuen Gruppe in Mönchengladbach ist angedacht und in Planung.
Jeder sollte sich von einem Therapeuten oder einem Coach unterstützen lassen. Man muss das alles nicht alleine durchstehen, sondern man braucht jemand an seiner Seite, der einen versteht und tagtäglich aufs Neue motiviert.
Jeder Körper hat seine eigene Geschichte und demnach seine eigenen Bedürfnisse. Es ist ein langer Prozess sich selbst zu finden und seinen ganz persönlichen Weg zur Heilung zu finden. Jeder ist meiner Meinung nach in der Lage auszusteigen, man braucht nur ein wenig Geduld und Durchhaltevermögen. Davon bin ich fest überzeugt.